Opening der Ausstellung zum Symposium der grenzART „Epen, Mythen, Geschichten erzählen“. Mit Werken von: Martina Reinhart, Franz Seitl, Gudrun Seitl, Uschi Halmagji, Sonia Gansterer, Hanna Scheibenpflug, Janos Szurcsik, Norbert Maringer, Christine Krapfenbauer-Cermak, Robert Petschinka, Julia Bugram, Hermann Hindinger, Walter Maringer, Gerald Nigl
Ende August fiel ein Mann in einem Museum in Porto in ein Kunstwerk von Anish Kapoor. Ein mit perfektem Schwarz ausgemalter Zylinder im Boden des Museums war nur als schwarzes Loch zu sehen. Der Besucher stürzte fast zweieinhalb Meter ins Bodenlose beim Versuch auf den schwarzen Punkt zu treten. Welch eine Täuschung! – Eine wahre Geschichte.
Ein „schwarzes Loch“ ist nicht mehr nur eine Metapher, sondern eine reale Bedrohung. So wie die Täuschungen, die zugerichteten Geschichten und Behauptungen allgegenwärtig sind.
Was, wenn die Sprache nur mehr Affirmatives formuliert, also nur mehr Ja sagt, wo man genauer hinsehen müsste, hinterfragen und hinter die Fassade oder den schönen Schein schauen müsste? – Es wäre eine der Grundfesten einer perfekten Diktatur, Vorherrschaft der Täuscher, die ihre Interessen verfolgen und durchsetzen.
Was, wenn die Sprache nur mehr Widerspruch formuliert, wenn gegen alles und jeden nur mehr Negatives vorgebracht wird, wenn man gegen alles ist, wenn man nur das Schlechte sieht, weil man sich nicht die Zeit nimmt, genauer zu schauen, zu hinterfragen und besser zu verstehen? – Es wäre das Feld des Populismus, Gegenteil von Widerstand und Widerspruch. Wenn man zufrieden ist schon mit der Erregung und die Aufregung mehr zählt als die durch Recherche und Reflexion überprüfte Wirklichkeit?
Die Kunst ist heute so real und so wichtig und so wirksam wie nie zuvor. Gleichzeitig ist sie auch so ungehört und unerhört das, was sie uns sagen will und kann. Will sie erzählen? Muss sie erzählen? Muss sie dokumentieren und (be-)werten? Und woher kommt die Vermutung und Unterstellung, dass Kunst etwas erzählt, das Kunst etwas vorhersieht, dass Kunst relevant kommentiert und dass Kunst sich alles erlauben kann, um wirklicher zu sein als die Wirklichkeit?
Mythologien formulieren und formen Vorstellungen des Schicksals: (Groß-)Erzählungen, die uns helfen zu verstehen, dass unser Schicksal immer schon besiegelt ist, dass wir uns mit der Entscheidungslosigkeit und Unausweichlichkeit des ohnehin schon Vorbestimmten abfinden und damit umgehen müssen – und so tun, als wären wir Individuen mit eigenem Willen und verfügten über die Freiheit, ihn zu gebrauchen.
Als Vademecum sind solche Geschichten, Erzählungen und Vorstellungen zum kollektiven Alltag geworden oder zum Alltag eines Kollektivs, das sich (vielleicht) als aufgeklärte Gesellschaft verstehen darf.
Heute gibt sie sich den verführerischen Nachrichten hin, dem unbewiesenen Verdacht, der sich an geeigneter Stelle zur richtigen Zeit einstellt, dem Gossip, dem Tratsch, dem Geschwätz, den Klatschgeschichten, die uns unterhalten und unsere Wirklichkeit konstituieren. Und sogar unser Schicksal bestimmen, sosehr wir sie auch geringschätzen.
Es ist nicht verwunderlich, dass sich aus der Erfahrung der immensen, schier unverdaulichen Masse und Menge von Information, von Wissen und vermeintlichem Wissen, von Fakten und Studien die Erkenntnis ergeben hat, dass alles zu viel und alles zu nichts gut sein kann. Jedenfalls können wir es nicht mehr mit Sicherheit sagen, was zählt, weil zweifeln am täuschend Echten überall angebracht ist.
Was Gewicht hat, was Bestand hat, was bewegt, ist alles wässrig geworden. Eine Bubble, eine und noch eine Blase, die zerplatzt, allgegenwärtig, allmächtig, jedenfalls fast schon unausweichlich.
Das Medium ist die Botschaft – wieder einmal. Der Satz steht an die Wand geschrieben, als eine sich selbst erfüllende Prophezeihung aus den 1960er-Jahren. Aber die Botschaft ist wohl verschwunden.
Trotzdem oder gerade deshalb beschäftigen sich die KünstlerInnen des Symposiums -, das ja auch eine zeitlich begrenzte Schicksalsgemeinschaft in künstlerischer Absicht konstituiert – mit den Epen, den Mythen und dem Geschichten-Erzählen.
Wie genau, erzählen uns in der aktuellen Ausstellung:
Martina Reinhart, Franz Seitl, Gudrun Seitl, Uschi Halmagji, Sonia Gansterer, Hanna Scheibenpflug, Janos Szurcsik, Norbert Maringer, Christine Krapfenbauer-Cermak, Robert Petschinka, Julia Bugram, Hermann Hindinger, Walter Maringer, Gerald Nigl
Öffnungszeiten: jeden Sonntag von 2.9. – 30.9.2018
und nach telefonischer Anmeldung: 0664 391 5423
Galerie Augenblick. Marktplatz 27, 3470 Kirchberg/Wagram
Programm:
9.9. / 16 Uhr: Heinz Mayer liest Auszüge aus dem Gilgamesch Epos & Interpretationen des Epos durch den Autor / Archäologen Zecharia Sitchin.
16.9. / 16 Uhr: Wolfgang Giegler und Sonja Schachinger berichten unter dem Thema „Falsche Geschichten – Falsche Bilder“ von aktuellen Festivals und Ausstellungen (Manifesta Palermo, Ars Electronica Festival Linz).
23.9. / 16 Uhr: Gerald Nigl liest „In Zusammenarbeit mit der Grazer Autoren und Autorinnen Versammlung“ DER WÄCHTERIN HAND AM WEISSEN PAPIER INMITTEN DER AUGEN EIN PAAR Gedichte zum Zeichnungs- und Malereizyklus der „Wächterinnen“
30.9. / ab 14 Uhr: Finissage
Bilder: Ausschnitte von Werken von Walter Maringer, Norbert Maringer, Janos Szurcsik, Martina Reinhart, Gerald Nigl, Robert Petschinka