Im diesjährigen „Gastspiel“ zeigt Autor und Maler Gerald Nigl eigene und Arbeiten künstlerischer Kolleg:innen
Rund um die Thematik der Transformationen von künstlerischen Motiven, Arbeitsweisen und Techniken stellt der aktuell in der Werkstatt AugenBlick tätige bildende Künstler und Autor Gerald Nigl eigene und Arbeiten eingeladener Künstler:innenin den Mittelpunkt einer von ihm gestalteten Ausstellung.
THE SCOPE OF LANDSCAPE
Drei Positionen neuer Landschaftsmalerei
Landschaftsmalerei galt lange Zeit als Kulisse für den heroischen obsiegenden Kampf des einsamen Helden mit oder gegen die Fährnisse der Natur oder, gänzlich vom Menschenbild befreit, als Idealbild, als Sehnsuchtsort einer konstruierten Harmonie und projizierten Eins-Werdung mit der Natur, d.h. mit einer aufs Ideal einer Unbeschwertheit und biedersinnigen Nutzbarmachung reduzierten Vorstellung von Land, Natur und tatsächlichen oder zugeschriebenen Landschaftsmerkmalen. Schön gemalte Motive zur Erbauung fürs bürgerliche Heim, im Wesentlichen restaurativ, reaktionär, ein Bollwerk wider aller Neuerungsideen in der Kunst, in der Gesellschaft allgemein. Das galt und galt lange und war lange wohl so nicht unrichtig.
Die Gegenpole einer progressiv/revolutionär-urbanen und der konservativ/reaktionär ruralen Lebenswelt galten fixiert und de facto als unüberwindlich. Heute, im Zeichen substanzieller globaler Krisen des Kapitalismus, des Klimawandels und der zunehmend als untragbar empfundenen Schieflage der Verteilung an lebenswichtigen Ressourcen, kann uns die Kunst, die Malerei mit einer Bezugnahme zur Landschaft zeigen was sprichwörtlich am Spiel steht, was wir, nicht nur als Individuum, sondern vielmehr als erdumspannendes Kollektiv verlieren, wenn wir mit den Grundlagen unserer Existenz schließlich alles verloren haben. Die Kämpfe der Ismen sind geschlagen, die Angst vor „Schönheit“, das Unbehagen gegenüber „Idylle“ scheint gebannt, das Feld für ein neuerliches Einbinden der Landschaften bereitet, ein Feld das vielfältig und vielgestaltig ist und als oberste gemeinsame Klammer, so scheint es mir, einer unorthodoxen Praxis verpflichtet ist und das ist gut so.
Gerald Nigl, Künstler-Kurator der Ausstellung. 11/2021
In der Ausstellung werden aktuelle Werke von folgenden Künstler:innen gezeigt: Sonia Gansterer, Christine Krapfenbauer-Czermak, Gerald Nigl.
Über die Künstler:innen
So wie der französische Impressionist Claude Monet sagte: “Die Fülle, die ich erziele, entstammt der Natur, der Quelle meiner Inspiration.” entnimmt Christine Krapfenbauer-Cermak den für sie wichtigen Zustand, um von einer Idee ins Tun zu kommen, aus der Natur, konkret aus der sie umgebenden Weinviertler Hügellandschaft. Ihre Landschaftsmalerei ist freilich keine stur das Geschaute abbildende, sondern vielmehr Gegenstand einer kreativen Auseinandersetzung mit Malerei, Farben, Kompositionen, mit Gestaltungswillen durchtränkte Neusetzungen von Perspektive und Horizont, eine positiv gestimmte, zuversichtliche Malerei.
Vor uns die Sintflut! Sonia Gansterer malt langsam, zumeist einer gedeckten Farbpalette verpflichtet, cremiges, schlammiges, dunkles Sepia, sie spricht von: „schmelzendem Eis in schwarzer See“, von einem: „Atompilz“ und einer „einsamen Figur, die auf den Horizont zugeht, unter leerem Himmel …“ – Ihr Gemälde AM WELTENRAND aus 2021 sei, so sagt sie: „eine Landschaft als visuelle Apokalypse.“ Sie gibt hier überzeugend die Kassandraruferin, das dräuende Unheil ahnend, benennt sie es mit einer Malerei in Moll, gleich einem Gedicht aus dem Band der „Blumen des Bösen“ von Charles Baudelaire, freilich ohne den Zeigefinger fuchtelnd zu erheben. moralinsaure Beschwörungen sind ihre Sache nicht, vielmehr öffnet sie den (kahlen) Raum zu einem Raum-Gestöber vielfältiger Assoziationen und Fragestellungen. Sonia Gansterers Bildschöpfungen sind wunderbare Eingangspforten für unsere Antworten, die wir mit und in uns selbst tragen.
„farb:BILD-LANDSCHAFTEN“, eine neue Werkgruppe freier Malerei auf Holzplatten, von Gerald Nigl trägt die Landschaft bereits im Titel. Landschaften mit denen freilich keine konkreten Bildwiedergaben von konkret gesehenen Topographien beabsichtigt werden, sondern rein künstliche Landschaften, am Bildträger komponierte Gemälde, mit speziellem Fokus auf ihre Farbigkeiten. Die Verhältnisse der Farben zu-, über- und nebeneinander stehen im Zentrum des Interesses dieser Malerei, eine Malerei die gleichzeitig um die Wirksamkeit kontrapunktueller Farbsetzung weiß und diese gerne einsetzt. Der französische Philosoph und Lyriker Paul Valery sagt: „in der Kunst ist das Verstehen eine Art Niederlage.“ So auch hier: nichts soll genau benennbar und vorführbar sein, ob die jeweilige farb:LANDSCHAFT nun einen Makro- oder Mikroblick auf ihren Gegenstand wiedergibt ist einerlei und, wenn überhaupt, von Fall zu Fall zu entscheiden.
Gerald Nigl, Künstler-Kurator der Ausstellung. 11/2021